„Wir sind eine soziale Macht” | Kurier Dachau

Veröffentlicht am 24.12.2022 12:43

„Wir sind eine soziale Macht”

Wie gut sind wir auf den Wandel vorbereitet? In Bayern steigt nur der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre (rot). Der Anteil der Jüngeren geht zurück (25-59 J.) bzw. stagniert (unter 25 J.). (Foto: rg)
Wie gut sind wir auf den Wandel vorbereitet? In Bayern steigt nur der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre (rot). Der Anteil der Jüngeren geht zurück (25-59 J.) bzw. stagniert (unter 25 J.). (Foto: rg)
Wie gut sind wir auf den Wandel vorbereitet? In Bayern steigt nur der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre (rot). Der Anteil der Jüngeren geht zurück (25-59 J.) bzw. stagniert (unter 25 J.). (Foto: rg)
Wie gut sind wir auf den Wandel vorbereitet? In Bayern steigt nur der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre (rot). Der Anteil der Jüngeren geht zurück (25-59 J.) bzw. stagniert (unter 25 J.). (Foto: rg)
Wie gut sind wir auf den Wandel vorbereitet? In Bayern steigt nur der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre (rot). Der Anteil der Jüngeren geht zurück (25-59 J.) bzw. stagniert (unter 25 J.). (Foto: rg)

Auf der Jahrespressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern in München haben VdK-Präsidentin Verena Bentele, Landesvorsitzende Ulrike Mascher und Landesgeschäftsführer Michael Pausder sozialpolitische Bilanz gezogen. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen 2023 lag der Schwerpunkt auf landespolitischen Themen. Aktuell verzeichnet der VdK Bayern mit 781.300 Mitgliedern einen neuen Höchststand.

Warnung vor Vertrauensverlust

Verena Bentele warf einen kritischen Blick auf die Entlastungspakete der Bundesregierung und den geplanten bayerischen Härtefallfonds. Sie warnte vor einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Demokratie, wenn die Entlastungsmaßnahmen nicht für den Einzelnen greifen. „Die Betroffenen sind ganz normale Bürgerinnen und Bürger, sie sind nicht arm, nicht reich, haben ein redlich verdientes Einkommen. Die dürfen wir nicht verlieren.“ Sie begrüßte Nachbesserungen bei der Preisbremse, die nun auch Öl, Pellets und Flüssiggas umfasst. Trotzdem fehle der soziale Faktor: „Entlastungen dürfen nicht generell jeden hohen Energieverbrauch subventionieren, egal ob es ein wohlhabender oder ein armer Haushalt ist.“ Vorrang haben müssen einkommensschwächere Menschen.
Zur Gegenfinanzierung schlägt Bentele steuerliche Maßnahmen vor. „Übergewinnsteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine einmalige Vermögensabgabe für Superreiche sind geeignet, dem Staat den notwendigen finanziellen Spielraum in dieser Krise zu geben.“

Bayern nicht gut vorbereitet

Ulrike Mascher erteilte den wieder aufgetauchten Forderungen nach einer Anhebung des Renteneintrittsalters eine klare Absage: „Das wird es mit dem VdK nicht geben. Das vergrößert nur die Rentenabschläge und wird die ohnehin hohe Altersarmut in Bayern weiter ansteigen lassen.“ Sie kritisierte Arbeitgeber und Unternehmen, die einerseits den Fachkräftemangel beklagen, aber andererseits wenig Anstrengungen unternehmen, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gesunde Perspektive bis zur Regelaltersgrenze zu bieten.
Mascher sieht den Freistaat im Hinblick auf die demografische Entwicklung nicht gut gerüstet. Derzeit leben rund 2,72 Millionen Menschen über 65 Jahre in Bayern, 2040 werden es rund 3,49 Millionen sein. In den 2030er-Jahren wird es hier den höchsten Anstieg geben. „Wir brauchen in dieser Hinsicht dringend eine Verbesserung der Infrastruktur“, sagte Mascher. Sie forderte mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Ältere in Bayern: „Die Staatsregierung hat mit ihrer Blockadehaltung beim Seniorenmitwirkungsgesetz eine wichtige Chance vertan. Kommunen haben nach wie vor keine Verpflichtung, Seniorenbeiräte einzurichten. Dabei liefern diese Gremien wichtige Impulse für die Entwicklung im kommunalen Raum.“ Der VdK Bayernfordert die Einrichtung von Seniorenvertretungen in Gemeinden ab 5.000 Einwohnern. Außerdem müssen diese angemessen ausgestattet und für ihren Aufwand entsprechend entschädigt werden.

Mobilität ist entscheidend

Zentral für die demografische Zukunft Bayerns ist die Entwicklung der Mobilität. Beim ÖPNV schneidet Bayern im bundesweiten Vergleich schlecht ab. Mascher forderte zu neuen Ansätzen auf, etwa Rufbusse, aber auch Kooperationen mit privaten Taxi- und Busunternehmen. Zusätzlich müsse dringend weiter in das bestehende Netz investiert werden: „Von 1.066 Bahnhöfen und Haltepunkten in Bayern sind nicht einmal die Hälfte barrierefrei. So ist der gewünschte Umstieg vom Auto auf den ÖPNV nicht realistisch.“ Mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem ist ein weiteres großes Problem für eine älter werdende Bevölkerung. Der VdK fordert deshalb, dass bei jeder Neuvergabe eines Arztsitzes die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit nachgewiesen werden muss.

Mascher kritisierte auch das Fallpauschalen-System in der Krankenhausversorgung, das nun zwar etwas aufgeweicht werden soll, aber gerade ältere und pflegebedürftige Menschen nach wie vor benachteiligt: „Wir fordern, dass diese Personengruppen komplett aus den Fallpauschalen herausgenommen werden.“ Zusätzlich müsse die Geriatrie in Bayern stark ausgebaut werden: „Jedes Allgemeinkrankenhaus in Bayern muss zwingend eine geriatrische Station haben, die interdisziplinärarbeitet und Anschluss-Rehas wohnortnah ermöglicht. Zusätzlich muss die geriatrische Qualifizierung von Hausärzten in Bayern vorangetrieben werden.“

Jeden Tag 1.400 Beratungen

Michael Pausder stellte die Jahresbilanz des VdK Bayern vor und konnte Erfreuliches berichten: „Mit aktuell 781.300 Mitgliedern hat der VdK Bayern erstmals in seiner über 75-jährigen Geschichte mehr Mitglieder als der DGB mit all seinen Einzelgewerkschaften in Bayern und dreieinhalbmal so viele Mitglieder wie alle politischen Parteien in Bayern zusammen.“
Den Erfolg des VdK führte er auf die hervorragende Sozialrechtsberatung zurück, die flächendeckend in Bayern angeboten wird: „Wir haben konsequent auf unsere Kernkompetenz gesetzt. Etwa 700 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefern in den VdK-Geschäftsstellen höchstprofessionelle Arbeit ab.“ Bislang konnten in sozialrechtlichen Verfahren im Jahr 2022 schon 94 Millionen Euro an Nachzahlungen für die Mitglieder erstritten werden. Pro Arbeitstag finden beim VdK Bayern 1.400 Beratungen statt, es werden 370 Anträge gestellt, 120 Widersprüche eingelegt und 30 Klagen erhoben. Insbesondere für langfristig erkrankte Menschen ist der Druck gewachsen, beobachten die VdK-Teams. Aktuell werden auffällig lange Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung bei Erwerbsminderungsrenten registriert. Auch die Berichte von Mitgliedern, deren Krankenkassen sie im Krankengeldbezug drangsalieren, häufen sich.
Pausder verwies auf aktuelle VdK-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Zum einen zu den geringen Anrechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten, die vor 2019 bewilligt wurden, zum anderen zu der Regelung im bayerischen Landespflegegeld, nach der Bezieherinnen und Bezieher nicht von den Rundfunkbeitragsgebühren befreit sind, wie es in den anderen Bundesländern der Fall ist.
Pausder kündigte für 2023 Aktionen des VdK Bayern zur Landtagswahl an: „Wir sind in Bayern eine soziale Macht. Mehr als 780.000 Mitglieder sind mehr als 780.000 Wählerinnen und Wähler. Das ist Politikerinnen und Politikern bewusst.“

Staatsregierung erfüllt wichtige VdK-Forderung

Die Beschlüsse der bayerischen Staatsregierung zum Schutz vor den hohen Energiepreisen gehen nach Ansicht des Sozialverbands VdK Bayern in die richtige Richtung. „Es ist wichtig, dass der Freistaat eine zentrale VdK-Forderung erfüllt und die Menschen in Bayern vor dem Abschalten von Gas und Strom beschützen will“, sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland und stellvertretende Landesvorsitzende des VdK Bayern. „Dies ist eine beruhigende Nachricht vor den Weihnachtstagen.“ Bentele ergänzte: „Jetzt geht es darum, dass die Hilfen möglichst unbürokratisch und schnell greifen, damit niemand frieren muss.“
Unbefriedigend ist dagegen laut der VdK-Präsidentin die bisherige Regelung für die Menschen, die mit Öl oder Pellets heizen. „Hier müssen Bund und Freistaat noch nachbessern. Es kann nicht sein, dass man eine Rechnung bis zum 1.12.2022 braucht, um entlastet zu werden. Der VdK Bayern hat schon einige Rückmeldungen von Mitgliedern aus dem ländlichen Bereich bekommen, die 2022 weder Öl noch Pellets getankt haben, weil sie sich die Bestellung nicht leisten konnten. Diese müssten auch entlastet werden, auch wenn die Bestellung jetzt getätigt wird“, fordert die VdK-Präsidentin.

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