Reißend fließt der Mühlbach über das Gelände der ehemaligen MD Papierfabrik in Dachau. Als wäre nichts gewesen. Dabei ist alles neu. Das Bachbett des Gewässers ist ein neu angelegtes Provisorium aus großen Steinen und Beton-U-Profilen, das sich über 600 Meter quer über das Gelände erstreckt. Die Isaria München Projektentwicklungs GmbH, die das Projekt für die Deutsche Wohnen realisiert, ließ das Provisorium in den letzten eineinhalb Jahren erstellen, um den alten Flusslauf sanieren und aus dem Untergrund ans Tageslicht bringen zu können.
Der Mühlbach ist ein Seitenarm der Amper und verlief auf dem Gelände beinahe 100 Jahre unter dem Industriestandort der Papierfabrik entlang bis er wieder in die Amper mündete. Die MD Papierfabrik nutzte den Mühlbach zur Energiegewinnung und zur Papierproduktion. Für das neue Quartier, dem der Mühlbach seinen Namen verleiht, soll der Bach renaturiert und als Erlebnisraum zugänglich gemacht werden.
Es ist eines der beeindruckendsten Renaturierungsprojekte Bayerns und ein bedeutender Qualitätsgewinn für die Stadt Dachau. Das Gewässer soll nach den Prinzipien der Schwammstadt auch eine ökologische Funktion im neuen Mühlbachviertel übernehmen. Durch die oberirdische Verdunstungsfläche und die Auffächerung des Bachlaufs mit einem neuen, zusätzlichen Verbindungskanal zur Amper quer durch den großen Quartierspark soll der Mühlbach mithelfen, das Mikroklima des neuen Stadtteils zu regulieren.
Mit der Umlegung des Mühlbachs in sein neues Provisorium wurde ein erster bedeutender Meilenstein erreicht. Dazu waren zahlreiche Vorbereitungsmaßnahmen notwendig.
„Das Mühlbach-Projekt, das wir in Dachau aktuell realisieren, ist ein ambitioniertes Vorhaben. Wir setzen es in enger Abstimmung mit dem Amt für Wasserwirtschaft, dem Landratsamt und spezialisierten Planungsbüros um. Damit die Sanierung des Mühlbachs und die anschließende Renaturierung gelingt, müssen die einzelnen Schritte mit Bedacht und ökologischem Feingefühl angegangen werden. Wir freuen uns auf die Umsetzung eines lebensnahen Mühlbachs im neuen Quartier“, sagt David Christmann, Sprecher der Geschäftsführung bei der Isaria.
Um den Mikrokosmos im Mühlbach zu schützen und auch im neuen Provisorium erhalten zu können, musste der Wasserspiegel des Gewässers stufenweise abgesenkt werden. Erst bei Niedrigwasser konnten die einzelnen Bachabschnitte von Experten auf verschiedene Muschelarten abgesucht und die Fische im Anschluss abgefischt und an anderer Stelle wieder eingesetzt werden. Damit den im Mühlbach lebenden Fischen während des Niedrigwassers genügend Rückzugsbereiche zur Verfügung standen, wurden mit bis zu zwei Tonnen schweren Sandsäcken vier Wassersperren - über den Bachlauf verteilt - eingesetzt. Ein Autokran balancierte je Wassersperre zwischen 35 und 40 Barrieren in den Mühlbach. Schmale Lücken wurden mit unzähligen kleinen Sandsäcken per Hand aufgefüllt.
Bei der Abfischung des Mühlbachs auf dem Projektgelände ergab sich eine beeindruckende Artenvielfalt der Fischbestände. An die 250 Kilogramm an Fischen transportierten die MD Amperfischer ans neue Ufer, um sie dort lebend wieder einzusetzen. Frauennerflinge, Kaulbarsche, Hasel, Nase, Schneider, Barbe sind Fische, die auf der Roten Liste stehen oder im Artenschutzprogramm aufgeführt sind. Darüber hinaus wurden fünf Kilogramm schwere Zander, Aale, Welse, Wildkarpfen, Braxen, Barsche, Lauben, Rapfen und viele weitere Fischarten umgesetzt. Nach der Umsetzung der Fische konnte der Mühlbach schrittweise in sein neues Provisorium eingeleitet werden. Dadurch erreichte das Projekt Mühlbach-Renaturierung seinen ersten großen Meilenstein.
In den folgenden Wochen beginnt die zweite große Phase der Sanierung: Der industrielle Überbau des Mühlbachs wird abgebrochen und recycelt, damit anschließend das alte Bachbett saniert werden kann. Die Abbrucharbeiten werden so schnell wie möglich umgesetzt, damit die letzten industriellen Altlasten beseitigt werden können.