Die Stadtbücherei veranstaltet mit „Dachau liest“ zwischen dem 7. und 13. Oktober im Ludwig-Thoma-Haus wieder ein Literaturfestival mit bekannten Autorinnen und Autoren. Zu der elften Ausgabe von „Dachau liest“ kommen Andrea Petković, Barbara Yelin, Uwe Timm, Maja Haderlap und Friedrich Ani. Eine Lesung für Kinder bietet Jörg Hilbert an. Die Karten zum Preis von 15 Euro (zzgl. Vvk-Gebühr) sind über München Ticket und in der Tourist-Information der Stadt Dachau erhältlich.
Andrea Petković blickt am 7. Oktober um 20 Uhr bei der von Günter Keil moderierten Lesung aus ihrem Buch „Zeit, sich aus dem Staub zu machen” auf die Entscheidung zurück, ihre Karriere als professionelle Tennisspielerin zu beenden.
Es geht um das Abschiednehmen von den rappelvollen Tennisstadien, hohen Preisgeldern, berühmten Gegenspielerinnen – aber auch von der eigenen Identität, die der Sport jahrelang ausgemacht hat. Wie ist es, das hinter sich zu lassen, dem man sein ganzes Leben gewidmet hat? Wie sich neu erfinden, ein neues Ich entwickeln? Wie ist es, sich auf ein neues Leben einzulassen, in dem es nicht nur das schwarz-weiße System des Siegs und der Niederlage gibt? „Ich würde einen Sport hinter mir lassen, der mir dabei geholfen hatte, mein gesamtes jetziges Leben aufzubauen”, erinnert sich Petkovic. „Einen Sport, der jeden meiner Atemzüge, jede Nacht meines Schlafes, jede meiner Mahlzeiten durchdrang, mich bestimmte, mich dominierte. Einen Sport, der stets für mich entscheid, wo ich wann zu sein hatte.“
Petković schreibt rasant, beschwingt und platziert ihre angenehm selbstironischen Pointen und Bemerkungen im Text so zielsicher wie Tennisbälle knapp hinter das Netz. Und sie schreibt sich frei von dem jahrelangen Leistungsdruck, der durchgetakteten Tagesstruktur sowie dem männlichen Blick auf den weiblichen Körper im Profi-Tennis. Ein ehrlicher und radikal persönlicher Text, der doch allgemeingültig und inspirierend für alle ist, die nach dem richtigen Zeitpunkt für einen lebensverändernden Einschnitt suchen.
In der 2023 erschienenen dokumentarischen Graphic Novel „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung”, die Barbara Yelin am 8. Oktober um 20 Uhr im Gespräch mit der Moderatorin Christine Knödler vorstellt, zeichnet und erzählt die Münchner Graphic Novel-Künstlerin das bewegende Leben von Emmie Arbel nach.
Geboren 1937 in Den Haag wird Emmie mit ihrer jüdischen Familie 1942 von den Nazis deportiert. Nur Emmie und ihre beiden Brüder überleben das Sammellager Westerbork und die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen; die Eltern und Großeltern werden ermordet. Nach dem Krieg erlebt Emmie in der Pflegefamilie wiederholt sexuelle Gewalt, nach der Auswanderung nach Israel fühlt sie sich im Kibbuz einsam, isoliert, nirgends zugehörig. Bis sie als junge Frau ihr Leben in die eigenen Hände nimmt, heiratet und dreifache Mutter wird, nach der Scheidung einen Beruf ergreift und sich in der Nähe von Haifa niederlässt. Emmie Arbels Leben im jahrzehntelangen Blackout, ihre verdrängten Erinnerungen an die menschen-verachtende Erniedrigung, Ohnmacht und Sprachlosigkeit fängt Barbara Yelin behutsam in reduzierten Zeichnungen ein, dominiert von Schwarz, Grau und Nachtblau. Eindrückliche und sensible Bilder in gedeckten Farbtönen findet die Künstlerin aber auch für Emmies unbedingten Lebenswillen und Klugheit, ihre innere Stärke, Rebellion und feinen Humor. Und für ihren Mut, sich den verschütteten, schmerzhaften Teilen ihrer Biographie zu stellen und in Deutschland vor jungen Menschen als Zeitzeugin zu sprechen.
In seinem Erinnerungsbuch „Alle meine Geister”, aus dem Uwe Timm am 10. Oktober um 20 Uhr liest, beschenkt er die Zuhörer mit dem atmosphärisch dichten Zeitbild des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders und der fesselnden Geschichte seiner Lehrjahre als Kürschner im Hamburg der 1950er Jahre. Durch die Lesung mit Uwe Timm führt der Moderator Martin Hielscher.
In der Werkstatt der Firma Levermann lernt Uwe Timm die kreative Präzision des heute fast verschwundenen Kürschnerhandwerks – das sorgfältige Sortieren der Felle, das exakte Ordnen der Haarlänge und Farbtöne, die genauen Berechnungen des Materialverbrauchs nach Schnittmuster. Hier lauscht er den Erzählungen und hitzigen politischen Diskussionen zwischen den Kollegen, durchlebt die ersten Liebschaften, entdeckt die Jazzmusik und bekommt Bücher empfohlen – Franz Kafka, J.D. Salinger, Albert Camus oder Henry Miller.
Es sind Bücher, deren Lektüre Uwe Timm eine „dem Handwerk so nahe Arbeitsweise“ des Schreibens, der Sprache und der Literatur eröffnen: das „Umbauen, Ausbessern, Ausstreichen, Überschreiben, Verschieben von Textteilen“. Es sind Bücher, die ihn, den Volksschulabgänger mit Rechtschreibschwäche, vom Schriftstellerberuf träumen lassen – und mit denen er nun in seinem Text einen intensiven Dialog führt.
„Ein das Leben entscheidendes Buch muss uns zufallen, geschenkt werden, meist als Empfehlung und sehr selten, aber auch das geschieht hin und wieder, schenkt es sich selbst”, findet Timm.
Bei der Lesung aus ihrem Roman „Nachtfrauen” lässt Maja Haderlap am 11. Oktober um 20 Uhr im Gespräch mit dem Moderator Niels Beintker ihre Protagonistin Mira zurück an den Ort ihrer Kindheit reisen und in ihr all die widersprüchlichen Gefühle der Vergangenheit aufleben – ihrer eignen, der Vergangenheit von Frauen in ihrer Familie und ihrer zweisprachigen Heimatregion.
„Über Generationen waren die Frauen (…) bei den Familien geblieben, hatten bestenfalls ins benachbarte Dorf oder in den nächstliegenden Weiler geheiratet. Sie galten als Erbgut, dessen man sich sicher sein wollte”, erzählt Maja Haderlap. Mira ist zum Studium weggezogen, hat geheiratet und sich mit ihrem Mann Martin in Wien niedergelassen, wo sie in einer Fachbibliothek arbeitet. Nach Jaundorf an der österreichisch-slowenischen Grenze fährt sie nur noch selten, der patriarchalen, durch den katholischen Glauben fest zementierten Ordnung und den sozialen Prägungen des kleinen Dorfes scheint sie entkommen zu sein. Doch jetzt muss sie sich auf den Weg nach Südkärnten machen – die körperlich gebrechliche Mutter Anni soll auf den Auszug aus dem Haus vorbereitet, der elterliche Haushalt aufgelöst werden.
Auch das mit dem frühen Unfallstod des Vaters, an dem sich Mira die Schuld gibt, verbundene Trauma bricht wieder auf. Fein und zart ist die Sprache, genau gesetzt die Prosa in diesem Generationenroman über die Zerrissenheit weiblicher Biographien zwischen Autonomie und Mangel an Entfaltungsmöglichkeiten, Emanzipation und Tradition, Aufbruch und Stillstand.
In Friedrich Anis Roman „Lichtjahre im Dunkel” begegnen sich, nachdem Leo Ahorns Leiche im Wagen des ehemaligen Zuhälters Roger Braun entdeckt wird, nicht nur Tabor Süden und die Polizeioberkommissarin Fariza Nazri wieder. Bei der Lektüre – und der von Günter Keil moderierten – Lesung mit Friedrich Ani am 13. Oktober um 20 Uhr trifft man auf Menschen, für die auf der großen Bühne des Lebens offensichtlich nur Auftritte in Nebenrollen vorgesehen sind.
Leo Ahorn, der Besitzer eines Schreibwarenladens im Osten von München, ist seit einer Woche verschwunden. Seine Frau Viola beauftragt den Privatdetektiv Tabor Süden mit der Suche nach dem Vermissten.
Verwirrt, verzagt, versehrt; allesamt „verbeulte Seelen“, die sich am Ende ihrer Träume wähnen und die sich im Alltagstrott ihrer Gewohnheiten eingerichtet haben, schildert Ani. Statt auf rasante Ermittlungserfolge setzt Süden auf seine feine Beobachtungsgabe. Mit beharrlichem Schweigen bringt er die Verdächtigen zum Reden – den ehemaligen Umzugsunternehmer Georg Kramer, von dem sich Leo Ahorn Geld für einen beruflichen Neuanfang leihen wollte. Kramers plötzlich aufgetauchten Halbbruder Sandro Zille, der in der Berliner Rotlichtszene mitmischt. Statt auf spannungsreichen Plot setzt Friedrich Ani gekonnt darauf, die Seelenzustände seiner Figuren sowie das Milieu fein auszuleuchten, in dem ein Mord nicht aus Heimtücke, sondern aus Überforderung passiert.
Für die Kleinen im Alter ab 5 Jahren liest und musiziert Jörg Hilbert am 10. Oktober um 15 Uhr aus dem neuesten Band der „Ritter Rost“-Reihe mit dem Titel” Ritter Rost und die drei Prinzessinnen”.
Der Jubiläumsband zum 30. Geburtstag von Ritter Rost erzählt von taffen Prinzessinnen und davon, wie schön es ist, anders zu sein. Auf der Eisernen Burg geht es rund: Tapezieren, Pferde beschlagen und Skateboard fahren. Dahinter stecken drei Prinzessinnen, die bei Ritter Rost, dem Burgfräulein Bö und dem Drachen Koks ein Praktikum machen, um das Burgleben kennenzulernen. Doch leider lernen sie hier lauter falsche Dinge! Das findet jedenfalls die Leiterin des Prinzessinnen-Internats. Wozu muss denn eine Prinzessin tapezieren können, wenn es dafür Personal gibt? Erst als die drei jungen Damen ihr Schicksal selber in die Hand nehmen, wendet sich alles zum Guten. Neben der lustig-schrägen Geschichte hält das Bilderbuch Ritter Rost und die drei Prinzessinnen (Ueberreuter) auch tolle neue Songs bereit – eingespielt von der NDR Radiophilharmonie. Jörg Hilbert hat den Band zum 30-jährigen Jubiläum der Ritter Rost-Reihe auch ein bisschen für sich selber geschrieben. Wie er sagt: „Ich finde wichtig, dass man ein paar Dinge selber machen kann: Handwerkeln, Knöpfe annähen, Betten beziehen, mit der Bohrmaschine bohren, Tapezieren und Autoräder wechseln – ganz egal, ob man ein Junge oder ein Mädchen ist. Irgendwann wird man’s vielleicht mal brauchen.”
Hier ist der Eintritt frei
Der Eintritt zu der Kinderveranstaltung (mit einer erwachsenen Begleitperson pro Kind) ist frei. Eine Anmeldung (unter Tel. 08131-754840) oder persönliche Anmeldung in der Hauptstelle der Stadtbücherei-Dachau am Max-Mannheimer-Platz 3 ist ab sofort möglich.