„Ein Denkfehler, der korrigiert werden muss“ | Kurier Dachau

Veröffentlicht am 02.12.2024 08:41

„Ein Denkfehler, der korrigiert werden muss“

42 Frauen wurden im Jahr 2023 in Bayern getötet. Das am 19. November erstmalig erschienene Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ zählt bundesweit 938 Mädchen und Frauen, die Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten wurden. Der Anteil an weiblichen Opfern, die im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen Opfer von Tötungsdelikten wurden, liegt bei 80,6 Prozent.

Zahlen häuslicher Gewalt steigen

Seit Jahren steigen in Bayern die Zahlen der Partnerschaftsgewalt und häuslichen Gewalt, wo Frauen und Mädchen den überwiegenden Anteil der Opfer ausmachen. Politisch passiert im Freistaat trotzdem viel zu wenig. Angesichts dessen fordern der Abgeordnete Andreas Birzele und die Landtags-Grünen einen längst überfälligen Ausbau der Angebote und Mittel zum Schutz von Frauen in Bayern vor Gewalt. Nötig seien deutlich mehr Präventionsarbeit, mehr Schutzräume und Frauenhausplätze.

Frauenhäuser in Bayern sind am Limit

Eine aktuelle Anfrage der Landtags-Grünen zeigt, dass die Frauenhäuser in Bayern am Limit arbeiten – die Auslastung hat stark zugenommen: im Jahr 2023 lag sie bei 82,44 Prozent (im Vergleich zu 79,99 Prozent im Jahr 2022). Auch wenn noch theoretisch Platz frei wäre, bedeutet es im Zweifel, insbesondere bei kleineren Frauenhäusern mit wenigen Plätzen, dass eine Frau mit mehreren Kindern oder mit älteren Jungen, einem Haustier oder sonstigen Bedarfen nicht aufgenommen werden kann. Zusätzlich können kommunalspezifische Aufnahmebeschränkungen und Finanzierungsmodelle sowie fehlendes Personal die Aufnahme einer schutzbedürftigen Frau verhindern. Weitere beunruhigende Zahlen: 2023 gab es in Bayern 6.953 weibliche Opfer im Deliktbereich Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Angespannte Lage in Dachau

Auch in Dachau sei die Lage angespannt. Es gebe fünf Frauenplätze, diese sind zu 84 Prozent ausgelastet. „Die Arbeit, die das Frauenhaus in Fürstenfeldbruck leistet, ist von unschätzbarem Wert. Das muss endlich auch die Staatsregierung anerkennen. Denn immer noch versteht sie Präventionsarbeit in erster Linie als Aufgabe der Polizei und finanziert entsprechend die wertvolle flankierende Arbeit der Frauenhäuser und Beratungsstellen kaum“, erklärt Andreas Birzele. „Das ist ein Denkfehler, der korrigiert werden muss. Wir fordern mehr staatliches Geld für Gewaltprävention, denn das rettet Leben.“

„Gewaltspiralen aufgehalten”

Schon lang fordern die Landtags-Grünen zudem einen Landesaktionsplan gegen geschlechtsspezifische Gewalt mit einer wirksamen Präventionsoffensive. Enthalten sein müssen: Der Ausbau von Fachstellen für Täterarbeit und Anti-Aggressionskurse, geschlechtersensible Bildung und Erziehungsarbeit in Kitas, Familienzentren, Familienbildungsstätten und allgemeinbildenden Schulen, Empowerment und Selbstverteidigungskurse für Mädchen und Frauen, Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit gerichtet an Menschen aus dem sozialen Umfeld von gewaltbetroffenen Frauen, Sensibilisierung und Weiterbildung von Ärzt*innen, Polizei und Justiz und Pädagog*innen. „Effektive Präventionsarbeit, die niedrigschwellig und in der Fläche verankert ist, entlastet die Beratungsstellen und Frauenhäuser“, betont Andreas Birzele. „Langfristig spart der Staat auf diese Weise sogar Geld, denn damit werden die Gewaltspiralen aufgehalten und unsere demokratische Gesellschaft gestärkt.“

Darüber hinaus fordern die Grünen eine Minimierung der Anzeige-Hemmschwellen, niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten zur Anzeigenerstattung wie etwa die Möglichkeit einer Online-Anzeige sowie flächendeckende Anlaufstellen für die vertrauliche Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt (Beispiel: Derzeit bestehen die meisten Kliniken darauf, nach einer solchen Spurensicherung Anzeige zu erstatten, was Frauen teils davon abhält, ihre Verletzungen anzeigenunabhängig rechtssicher ärztlich dokumentieren zu lassen). Die Staatsregierung muss endlich mit Blick auf die aus § 132k SGB V resultierende Verpflichtung die Vertragsverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen zum Ende führen. Diese laufen inzwischen seit über drei Jahren.

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